Weinfenster, kleine alte Tür über die Geschichte von Florenz

Weinfenster, kleine alte Tür über die Geschichte von Florenz

s gibt einen Moment, während bestimmter Spaziergänge durch Florenz – auf jenen verborgenen Wegen, die in der Villa Landucci empfohlen werden – in dem man das Bedürfnis verspürt, langsamer zu gehen. Ein schattiger Winkel, ein Detail, das dem geschäftigen Blick leicht entgeht. Und oft, direkt neben einem alten Palast, nur wenige Zentimeter über dem Pflaster, öffnet sich eine kleine Tür, in Stein gerahmt: diskret, geheimnisvoll, so niedrig, als wolle sie sich flüsternd verbeugen.
Es sind die „Buchette del Vino“, eines der faszinierendsten Geheimnisse des Renaissance-Florenz – und heute überraschend wieder im Rampenlicht.
Ein Zeitsprung… mit Stanley Tucci
Zurück ins Licht – zumindest in der englischsprachigen Welt – brachte sie der Schauspieler Stanley Tucci, der in seiner Serie Searching for Italy mit derselben Verwunderung durch die Straßen von Florenz spazierte, wie jemand, der ein geheimes Portal entdeckt. Genau so stellte er sie vor: als kleine Fenster in die Vergangenheit, durch die einst Wein direkt vom Erzeuger an Passanten verkauft wurde – ein geniales System, das Praktikabilität und Diskretion verband.
Von da an war die Neugier geweckt. Viele begannen, die Mauern mit neuen Augen zu betrachten, diese vergessenen Öffnungen zu suchen, oft von modernen Verputzen überdeckt oder zu Briefkästen umfunktioniert, doch noch immer lebendig im Gedächtnis der Stadt.
Was sind die Buchette del Vino genau?
Die Buchette – oder „Weinfenster“, wie sie auf Englisch genannt werden – sind kleine, meist bogenförmige Öffnungen mit einer hölzernen Klappe, eingelassen in die Mauern der Adelspaläste, hauptsächlich aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Wohlhabende Familien, oft selbst Weinproduzenten, nutzten diese Durchlässe, um ihre Produkte direkt an die Bürger zu verkaufen – Steuerhinterziehung inbegriffen – und den direkten Kontakt mit dem Volk zu wahren.
Der Wein wurde in Flaschen oder Krügen durch die Öffnung gereicht, die Bezahlung ebenso. Eine einfache, schnelle und – zumindest dem Anschein nach – sichere Transaktion, selbst zu Zeiten der Pest.
Doch nicht alles, was glänzt, ist Gold. Der durch die Buchetten verkaufte Wein war häufig bereits „umgekippt“ – heute würden wir sagen: mit einem Hauch von Essig – und von deutlich niedrigerer Qualität als jene, die wir heute gewohnt sind. Dennoch galt er damals als besser als der Wein aus den Tavernen, der oft ungenießbar war.
Eine Art kleiner Betrug also – auf Kosten der einfachen Leute und zugunsten der Adelsfamilien, die so ihre Keller von Ausschussware befreiten.
Vergessen – und wiederentdeckt
Über Jahrzehnte hinweg blieben die Buchetten, wo sie waren: stumm, vermauert, übersehen oder umgebaut. Doch ihr Zauber ging nie ganz verloren. Heute, dank der Arbeit der Associazione Buchette del Vino, wurden mehr als 180 dieser Öffnungen allein im historischen Zentrum von Florenz katalogisiert. Manche sind in ausgezeichnetem Zustand, andere erfordern einen geschulten Blick – aber jede erzählt ihre eigene Geschichte.
Die Buchetten heute: original, restauriert, neu erfunden
Dass die Buchetten heute wieder im Gespräch sind, liegt nicht nur an ihrer Geschichte, sondern auch daran, wie einige Geschäfte sie neu interpretiert haben. Während der Pandemie begannen einige Weinbars und Cafés, sie tatsächlich wieder zu benutzen – servierten Wein, Eis oder kleine Snacks direkt durch die alten Öffnungen.
Eine kreative Antwort auf neue Bedürfnisse – und eine poetische Möglichkeit, das Erbe der Vergangenheit wieder lebendig zu machen.
📍 Via delle Belle Donne, 2
Eines der besterhaltenen Weinfenster, vollständig mit Steineinfassung und noch sichtbarer Holztür. Der Zauber der Renaissance liegt hier in der Patina, die sich über Jahrhunderte auf dem Stein gesammelt hat.
📍 Palazzo Antinori – Via Tornabuoni
Eine der großen Weinfamilien von Florenz konnte nicht ohne eine elegante, perfekt erhaltene Buchetta sein – eingebettet in die Fassade ihres Palastes. Sie ist nicht in Gebrauch, bleibt aber ein Symbol für die direkte Verbindung zwischen Adel und Stadt.
📍 Vivoli – Via Isola delle Stinche
Die berühmte Eisdiele hat ihre Buchetta wieder aktiviert: Hier kann man heute Eis bestellen – genau wie einst den Wein. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie Geschichte in den Alltag zurückkehren kann.







Ein schützenswertes Kulturgut
Die Buchette del Vino sind viel mehr als eine architektonische Kuriosität. Sie sind greifbare Zeugnisse eines Florenz, das sich immer wieder neu erfindet – voller Eleganz, Einfallsreichtum und praktischem Geist.
Heute, angesichts des wachsenden (auch touristischen) Interesses, wird es immer wichtiger, sie zu schützen, aufzuwerten und ihre Geschichten weiterzugeben.
Viele private Paläste bewahren sie noch, wenn auch oft verdeckt oder unzugänglich. Einige sind mit kleinen Tafeln oder Rahmen aus Pietra Serena geschmückt, andere nur noch in der Erinnerung der Anwohner präsent. Wer durch Florenz wandert und sie sucht, begibt sich auf eine Art unsichtbare Schatzsuche.
Ein Tipp für urbane Entdecker
Wer die Buchetten in Ruhe und mit Staunen entdecken möchte, sollte am Morgen beginnen – wenn die Straßen noch still sind.
Gegenden wie das Oltrarno, Borgo Pinti und San Niccolò verbergen einige der faszinierendsten Exemplare.
Und vielleicht gönnt man sich nach der Suche eine Pause in einer der alten Osterien in der Nähe – für ein einfaches, ehrliches Mittagessen, ganz im Geist dieser kleinen Fenster in die Vergangenheit.
Ein Florenz zum Entdecken… Meter für Meter
In einer Stadt, in der jeder Stein eine Geschichte erzählt, stellen die Buchette del Vino ein wenig bekanntes, aber höchst eindrucksvolles Kapitel dar.
Klein, bescheiden, und doch tief elegant, erinnern sie uns daran, dass die wahre Schönheit von Florenz nicht nur in seinen großen Monumenten liegt – sondern auch in den Details, die man nur sieht, wenn man langsam geht, mit neugierigen Augen und offenem Herzen.
Ein letzter Gedanke (und ein persönlicher Ratschlag)
Mit einiger Überraschung haben wir entdeckt, dass der Wein, der in der Renaissance durch die Buchetten verkauft wurde, oft von sehr niedriger Qualität war – fehlerhaft, fast ungenießbar.
Ein kleiner Trick, ganz florentinisch, zum Nachteil derjenigen, die vorbeikamen und glaubten, guten Wein zu kaufen – in Wahrheit wurde so nur der Keller geleert.
Da fragt man sich: Haben sich diese Verhaltensweisen in fünfhundert Jahren wirklich geändert?
Im Zweifel verlasse ich mich lieber auf eine gute Enoteca, wo ich bewusst eine Flasche auswählen kann – und ohne böse Überraschungen genieße.
Die Buchetten sind wunderschön anzuschauen,
aber wenn es um Wein geht… dann lieber dorthin gehen, wo es den Wein gibt, der einem wirklich schmeckt!